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Berlin Leben und Gesellschaft

Vom Gefängnis zum Kulturstandort: „The Knast“

Tag des Offenen Denkmals im September 2025. Rund 150 Menschen drängeln sich vor dem Eingang des ehemaligen Frauengefängnisses in der Söhtstraße in Berlin-Lichterfelde. Eigentümer Dr. Joachim Köhrich erläutert persönlich und engagiert die Baugeschichte des Gebäudes. Zusammen mit seiner Partnerin Janina Atmadi hat der Unternehmer schon die Berliner Heckmann-Höfe erfolgreich als Kreativquartier entwickelt. Im Jahr 2017 erwarb er die Liegenschaft in Lichterfelde und hat das ehemalige Gefängnisgebäude samt Garten seitdem Stück für Stück in den Kulturstandort „The Knast“ umgewandelt, an dem  Kunst, Kulinarik und Geselligkeit eine ganzheitliche Verbindung eingehen sollen. 2024 erhielt er für die sorgfältige Instandsetzung des Gefängnisses den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege.

Wenige Wochen nach der öffentlichen Führung bin ich mit Janina Atmadi, die den „Knast“ als Geschäftsführerin leitet, zu einem Gespräch verabredet. Zu Fuß biege ich von der Ringstraße in die Söhtstraße ein und nehme noch einmal bewusst wahr, wie gut sich der 1902 – 1906 entstandene Gefängnisbau und das zeitgleich erbaute Amtsgericht mit ihren Volutengiebeln, Türmen und Zierelementen an die Umgebung anpassen. Das war von den Architekten Sarkur, Mönnich und Thoeme so gewollt; schließlich sollten potentielle Bewohner der zu Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Villenkolonie Lichterfelde durch die Gegenwart einer Haftanstalt nicht von ihren Bauvorhaben abgeschreckt werden.

Villa oder Haftanstalt? Unauffällig passten sich Amtsgericht und Gefängnis an ihre Umgebung im Stadtteil Berlin Lichterfelde an (c) Soeht 7
Villa oder Haftanstalt? (c) Soeht 7

Ein zugleich sehr offener und doch zurückgezogener Ort ist dies auch heute noch. Nach der Auflösung des Gefängnisses im Jahr 2010  wurde die Liegenschaft eine Zeit lang vor allem für Filmaufnahmen (am bekanntesten: „Monuments Men“ und die Serien „Berlin-Babylon“ und „Im Knast“) genutzt. Ab 2016 entwickelte der Kulturmanager Jochen Hahn dort die Vision einer „musisch-kreativen Denkfabrik“; daran knüpfen die neuen Eigentümer in Teilen an. „Joachim Köhrich liebt besondere Immobilien, und als wir dies hier sahen, war das Konzept eigentlich gleich da“, sagt Janina Atmadi.

Brandschutz und Denkmalschutz: zwei gleichermaßen große Herausforderungen

Zwei Zellentrakte gab es im Gefängnis, einen größeren für Männer und einen kleineren für Frauen. Im heute geradezu freundlich wirkenden Lichthof des früheren Männertrakts finden an langer Tafel regelmäßig sogenannte „Zellentraktdinner“ statt. Die Räume im zweiten und dritten Stock sind an den Verein „Pride Art e.V.“  vermietet und werden von Künstlern als Atelier- oder Ausstellungsräume genutzt. Wer als „Resident Artist“ im „Knast“ arbeiten will, bewirbt sich beim Verein um eine Zelle. An den drei- bis viermal jährlich stattfindenden Ausstellungen sind zunehmend auch Künstler von außerhalb beteiligt, und das Publikum reist aus ganz Berlin an, berichtet Atmadi. Bei der denkmalgerechten Gestaltung der Zellentüren wurde neben der Denkmalschutzbehörde ein passionierter Sammler – ja wirklich: von Zellentüren – zu Rate gezogen. Um aber sowohl Denkmalschutz (Bestandswahrung) als auch Brandschutz (Fluchtwege) gerecht zu werden, stehen viele der Türen heute ausgehängt in den Zellen. Joachim Köhrich fasste es am Tag des Offenen Denkmals launig zusammen: „Die Herausforderung war es, ein Gebäude, aus dem niemand fliehen durfte, in eines umzuwandeln, aus dem man jederzeit fliehen kann.“

Besonders am Herzen liegt Janina Atmadi die Bar im Kuppelsaal, der ehemaligen Kapelle des Gefängnisses. Auf Dielen aus einem Opernhaus stehen dort heute anstelle harter Holzbänke bequeme Sessel, die Atmosphäre ist wohnlich. „Hier können auch Familien aus der Nachbarschaft einfach mal auf einen Drink vorbeikommen!“ Vorausgesetzt, alle Familienmitglieder sind über 18, eine Regelung, die gleichermaßen für das Restaurant gilt, dessen regional und saisonal ausgerichteten Küche Liebhaber guten Essens auch von weiter her anlockt. Küchenchef Michael Zscharschuch, oder auch einmal als Gast Sternekoch Tim Tannenberger, arbeiten just dort, wo sich vormals die Gefängnisküche befand: „Brot und Wasser, nur in besser“, scherzt Janina Atmadi.

2026 soll nun endlich auch das Hotel eröffnen. Pier Andrea Mestre, der vor vier Monaten ernannte General Manager, hat zehn Jahre lang ein Boutique-Hotel in Venedig geleitet, das er in dieser Zeit zum Anlaufpunkt für Gäste der Fondazione La Biennale di Venezia und für internationale Kunstliebhaber machte. Bester Laune führt er mich durch die Räume, zeigt er eines der in warmen Farben und mit haptisch angenehmen Materialien eingerichteten Zimmer, von denen die meisten durch Zusammenlegung zweier Zellen entstanden sind. Die vier großzügigen Suiten im ausgebauten Dachgeschoss werden individuell ausgestaltet. Ein anspruchsvolles „Hideaway“ auch für internationale Gäste soll dieser Ort sein, fern vom Trubel im Zentrum der Hauptstadt.

Ein Standort, der neue Erfahrungen bieten soll

Was bedeutet der „Knast“ für Lichterfelde? Für Janina Atmadi ist das ganz klar: „Der Kiez findet bei uns einen Ort vor, den es so bisher nicht gibt. Bei uns haben wir eher sinnliche Events, bei denen die Leute etwas Neues erleben können. Unser Standort bereichert den Kiez qualitativ, aber auch um Erfahrungen, die viele Leute noch nicht gemacht haben. Wir möchten hier zu einem offenen, geselligen, anderen Lifestyle beitragen.“

Dieser Artikel ist zuerst am 24. Oktober 2025 in den Stadtrand-Nachrichten erschienen.

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