Wer war Maria Augusta Urrutia? Ein Porträt von ihr gibt es in ihrem kolonialen Haus in der Altstadt Quitos. Unauffällig hängt es ein einer Ecke des Salons, der „sala principal“. Nonne, oder Braut? Beides ist denkbar, der Maler Victor Mideros (1888 – 1967) lässt es in diesem Gemälde der Siebzehnjährigen offen. Links davon befindet sich das größere Bild von Maria Augustas Mann Alfredo, der zum Zeitpunkt der Heirat bereits 45 Jahre alt war, gegenüber diejenigen ihrer Eltern.
Mehr Aufschluss über die Person der Hausherrin gibt das Arbeitszimmer. Der Ort, an dem Maria Augusta Urrutia ihre zahlreichen Besitzungen, wohltätigen Stiftungen, Bildungseinrichtungen, Studentenheime verwaltete. Ein Raum, der wie das Büro eines Fabrikbesitzers vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts anmutet: Auf dem zentral in der Mitte platzierten imposanten Schreibtisch Telefon, Globus und Sanduhr, daneben Schreibmaschine und Kasse. Die gebildete und energische Hausherrin traf, beraten von Buchhalter und Sekretär, alle Entscheidungen selbst, auch die finanziellen. Aber sie wusste um ihre Grenzen. Gegenüber dem Schreibtisch an der Wand hängt, immer im Blick, ein ebenfalls von Victor Mideros gemalter Christus mit dem Titel „Yo soy“ – „Ich bin“.
Das Stadthaus eines gebildeten und weitgereisten Paares
Maria Augusta Urrutia wurde 1901 als Tochter gebildeter und vermögender Eltern geboren; ihr Vater Julio Urrutia gründete 1897 das erste Elektrizitätswerk Quitos. Einen großen Teil ihrer Jugend und Ausbildung verbrachte Maria Augusta in Frankreich, wo sie den aus Kolumbien stammenden Alfredo Escudero Eguigurén kennenlernte, den sie im Jahr 1921 heiratete. Mit ihm bezog sie das Stadthaus in der Calle Garcia Moreno, in dem sie bis zu ihrem Tode lebte.
Der Reichtum und der europäisch beeinflusste Geschmack des Paares zeigen sich in der Einrichtung des Hauses, die bis in die Details weitgehend erhalten ist. Spektakulär ist das vollständig originale Bad aus den Zwanziger Jahren mit seinen italienischen Glasfenstern; beeindruckend die Kombination von Antiquitäten und Skulpturen der Schule von Quito mit Teppichen, die von inkaischen Mustern inspiriert sind. So zeitgebunden die Räume eingerichtet waren, hatte das Ehepaar offenbar auch einen Blick für das kulturelle Erbe Lateinamerikas und Ecuadors.
Die Ehe blieb kinderlos. Bereits 1931 starb Alfredo Escudero und hinterließ seiner jungen Witwe unter anderem unermesslichen Grundbesitz mit zahlreichen Haciendas rund um Quito. Schon zu Lebzeiten ihres Mannes hatte sich die junge Frau vor allem der Verwaltung der familieneigenen Ländereien gewidmet. Nunmehr fasste sie den Entschluss, ihr Vermögen zugunsten von Bedürftigen und zum Nutzen der Stadt Quito einzusetzen. Ihrem Wunsch, in ein Kloster einzutreten, hatten die Eltern widersprochen, die ihre einzige Tochter gerne weiter um sich haben wollten.
Essen, Bildung und ein Dach über dem Kopf: Grundlagen für ein Leben in Würde
Bereits im Jahr 1932 eröffnete Maria Augusta einen Mittagstisch für Bedürftige, wo sie täglich zunächst dreißig, später bis zu hundert Kinder willkommen hieß. Die damals aus Deutschland angeschaffte Küche, in der die Mahlzeiten zubereitet wurden, ist heute noch im Wohnhaus zu besichtigen. Ein anderer Aspekt, der der Mäzenin am Herzen lag, war die Schul- und Universitätsbildung von Kindern und Jugendlichen aus den ländlichen Gegenden Ecuadors. In dem von ihr initiierten Wohnheim „Hogar Javier“ fanden in fünfzig Zimmern Studenten der staatlichen Universität zumeist kostenlos eine Unterkunft. Bis in die Achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein stifte Maria Augusta immer wieder Teile ihres immensen Landbesitzes, damit dort Schulen oder andere Bildungseinrichtungen errichtet werden konnten.
Gründung der Stiftung „Mariana de Jesús“
Im Jahr 1939 gründete sie die Stiftung „Mariana de Jesús“, die bis heute Bestand hat, und der die Stadt Quito unter anderem ihre Wasserversorgung und das Gelände des großen Stadtparks „La Carolina“ verdankt, Mit der Benennung ihrer Stiftung stellte sich Maria Augusta Urrutia bewusst in die Tradition der ecuadorianischen Nationalheiligen Mariana de Jesus de Paredes (1618 – 1645), ebenfalls einer jungen Frau aus gutem Hause, deren Lebenslauf dem ihrem in manchem glich.
Wie in so vielen Familien der ecuadorianischen Elite bis heute, spielte der katholische Glaube eine zentrale Rolle im Leben der Stiftungsgründerin. Sage und schreibe 89 Gemälde des vor allem zu christlichen Themen arbeitenden Victor Mederos schmücken ihr Haus. Schon früh hatte sie sich mit den Lehren des Ignacio von Loyola beschäftigt; einer Skulptur des Mitbegründers des Jesuitenordens gebührte ein Ehrenplatz neben dem Bett in ihrem Schlafzimmer. Ebenso wie Mariana de Jesús wählte auch Maria Augusta Urrutia sich einen Jesuitenpater (Eduardo Vásquez) als geistlichen Begleiter.
Die Mäzenin starb hochbetagt im Jahr 1987; zehn Jahre später wurde ihr Haus in ein der Öffentlichkeit zugängliches Museum in der Verwaltung der von ihr gegründeten Stiftung umgewandelt. Ihr Grab befindet sich, ebenso wie das der Stiftungspatronin Mariana de Jesús, in der prächtigen barocken Jesuitenkirche „Compañia de Jesús“, nur wenige Schritte entfernt von dem Haus, in dem sie ihr ganzes erwachsenes Leben verbracht hatte.
Casa Museo Maria Augusta Urrutia, Calle Garcia Moreno 760, Tel. 00593 – 2 – 258 01 03, Direktorin Victoria Mora. Besuch nur mit Führung auf Spanisch oder Englisch ca. 1 Stunde.
10. Juni 2021
Eine Antwort auf „Gläubige und Wohltäterin: Maria Augusta Urrutia“
Mit diesem Beschreibung man fühlt sich vor jedem Raum und Gemälde.