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Schutz von Kulturgut: Die Casa Museo Carangue

Die Prinzessin hat ein Bett aus verblichenem rotem Tuch. Womöglich war sie auch keine Prinzessin. So genau weiß man das nicht. Aber hier ruht sie nun, oder vielmehr das, was von ihr übrig ist nach vielleicht tausend Jahren. Sie liegt auf einem Podest in der Form einer abgeflachten steinerne Pyramide, in der Mitte einer strohgedeckten Rundhütte.

Die große Pyramide im Tal von Zuleta

Die flachen Pyramiden sind typische Bauwerke der Kultur der Caranqui. Unter diesem Namen werden heutzutage die Herrschaftsgebiete vor allem dreier Volksgruppen zusammengefasst, der Otavalo, Cayambe und der Caranqui selbst, die seit dem Jahr 700 zwischen den Flüssen Chota (im Norden) und Guayllabamba (im Süden) siedelten. Ungefähr ab 1470 wurde diese Verteidigungsgemeinschaft in einer rund zehn Jahre währenden Auseinandersetzung von den aufstrebenden Inka unterworfen. So groß war der Widerstandswille, dass einige der Kämpfer mit ihren Familien anschließend nach Peru zwangsumgesiedelt wurden.

Ein neuer Raum zur Darstellung der Caranqui-Kultur

Am 31. März dieses Jahres nun eröffnet in dem Dörfchen Zuleta südlich von Ibarra die neue „Casa Museo Carangue“ , das „Caranqui-Museum“. Amable Cachalo wird diese private Sammlung auf seinem Grundstück in einem eigens dafür errichteten Gebäude ausstellen. „Wir haben uns beim Bau an den Hütten orientiert, in denen die Stammesführer der Carangue lebten. Diese Rundhäuser standen zentral auf den flachen Pyramiden, die sie hier überall in unserem Tal finden können.“ Wer im Tal von Zuleta wandert, sieht sie: pyramidenförmige Anlagen mit oder ohne Rampe, von Gras überwachsen. Auf der größten Erhöhung ist aus der Luft deutlich die runde Fläche zu erkennen, auf der sich die Rundhütte eines Anführers befand.

„An solch einer Stelle haben wir auch die Knochen dieser Prinzessin gefunden. Nur die Mitglieder der führenden Familien durften im Zentrum der Pyramide begraben werden. Diese Kette hier war ihre Grabbeigabe.“ Amable zeigt die mehr als zwanzig Teile einer bronzenen Halskette, die neben dem Skelett gefunden wurden. 

Bis vor einem Jahr arbeitete der frischgebackene Museumsdirektor als Touristenführer für die nahebei gelegene traditionsreiche Hacienda Zuleta. Die im 17. Jahrhundert von Jesuiten gegründete Hacienda, Familiensitz des früheren Staatspräsidenten (1948-1952) Galo Plaza  ist eine der wenigen in Ecuador, die tatsächlich noch koloniale Gebäude besitzt.  Damit zieht sie in normalen Jahren erfolgreich zahlungskräftige ausländische Touristen an. Aber mit der Pandemie verlor Amable Cachalo seine Arbeit. Auf einmal hatte der Hobbyethnologe Zeit, sich intensiv seinem seit vielen Jahren gehegten Projekt zu widmen: Der Einrichtung eines eigenen Museums zur Caranqui – Kultur. 

Ohne die Familie geht nichts in Ecuador

Was tut man in Ecuador, wenn man etwas Größeres vorhat? Man bittet die erweiterte Familie und möglichst auch das ganze Dorf um Hilfe. Kein Problem für den in Zuleta verwurzelten Amable, „den Liebenswerten“, der zur Zeit Vizepräsident der  Dorfgemeinschaft ist. „Ich habe alle gebeten, mir Fundstücke zu stiften oder auch zu verkaufen, die sie im Familienbesitz hatten – Werkzeuge, Trinkgefäße und so weiter.“ So ist ein Museum entstanden, das mit gut erhaltenen Artefakten und Bildern die Geschichte einer Kultur, eines Dorfes und einer Familie zugleich dokumentiert.  Um staatliche Unterstützung hat der Museumsgründer vergeblich gebeten.

Eine beeindruckende Sammlung von vermutlich originalen Caranqui-Gefäßen steht hier neben dem von einem Verwandten gespendeten Webstuhl und einem Spinnrad, das von intensivem Gebrauch zeugt. Die Herstellung von Stoffen war schon bei den Caranqui Männersache: „Es gibt noch zwei Dorfbewohner in Zuleta, die weben können; ich möchte das selbst unbedingt lernen, damit diese Kunst nicht verloren geht“, sagt Amable.  Auf einem Foto an der Wand sind vier Frauengenerationen seiner Familie beim Besticken der hier typischen Textilien vereint: Deckchen, Tücher, Blusen.  Derselben Blusen, die man auf dem sonntäglichen Touristenmarkt erwerben kann,  heutzutage gleich mit den dazu passenden Masken.

Die erste Erweiterung ist schon geplant

Auffallend professionell ist das Museum binnen nur eines Jahres gebaut und ausgestattet worden, mit der Beratung durch zwei befreundete Archäologen. Selbst die sanitären Anlagen sind ästhetisch beeindruckend. Nur ein paar Erläuterungen zur Geschichte fehlen noch. Aber die erste Erweiterung ist schon geplant: „Ich möchte noch eine Küchenhütte bauen, so, wie wir sie bei den Ausgrabungen an verschiedenen Stellen gefunden haben. Es gibt so viele Fundstücke, die man ausstellen muss!“

Casa Museo Carangue, Zuleta: +593 98 942 8406, E-mail: achachalo@yahoo.com, Eintritt 5 $

Hacienda Zuleta: https://zuleta.com (sehenswert, aber Luxus; pandemiebedingt gibt es gelegentlich Sonderangebote)

10. März 2021

Eine Antwort auf „Schutz von Kulturgut: Die Casa Museo Carangue“

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