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Fulminanter Auftakt zur neuen Saison: Mitreißende Kammermusik im Tonhain

Blutrot leuchten die Lettern von den Plakaten: „RESIST!“ Das Tonhain-Kollektiv eröffnet an seinem Sitz in Steglitz die Saison mit einer neuen Konzertreihe, die sich der Frage widmet: Wie klingt Widerstand?

„Soundtrack of the Resistance“ ist auch der Titel des Auftaktkonzerts in der mittlerweile in vollem Glanz erstrahlenden Location. Initiator und Geschäftsführer Benjamin Lai hat eben noch mit dem Scanner in der Hand das Publikum in Empfang genommen. Nun steht er inmitten der um Notenpulte und Klavier gruppierten Zuhörerschaft, 99 Stühle oder ein paar mehr,  und freut sich, dass wieder einmal jeder Platz besetzt ist.

„Angesichts des beunruhigenden Anstiegs von Autoritarismus, politischer Polarisierung und Isolationismus sehen wir es als unsere PFLICHT als Künstler, darauf zu reagieren“, heißt es, fast protestantisch, auf der Website des Kollektivs. Benjamin Lai drückt es etwas schlichter aus: „Wir wollen klassische Kammermusik relevant machen, sie mit Themen unserer Zeit verbinden“.

Wie also hört sich das an, Widerstand? Alle Werke dieses Abends entstanden innerhalb von nur wenigen, durch Diktatur und Krieg geprägten Jahren zwischen 1937 und 1942. Arnold Schönbergs „Ode to Napoleon Buonaparte“, das dritte Streichquartett des Tschechen Pavel Haas, und Dmitri Schostakowitschs Klavierquintett verkörpern für die Musiker drei Formen der Opposition gegen ein Regime: direkt und öffentlich bei Schönberg; als Beharren auf nationaler und künstlerischer Eigenständigkeit bei Haas; und durch indirekte Anspielungen und „Ambivalenzen“ (Benjamin Lai) bei Schostakowitsch.

Arnold Schönbergs „Ode to Napoleon Buonaparte“ ist zurzeit häufiger auf Konzertprogrammen zu finden. Dabei ging es dem im Exil in den USA lebenden Komponisten im Jahr 1942 nicht um Napoleon. Den Text, eine flammende Anklage, verfasste der britische Dichter Lord Byron anlässlich der Abdankung des Kaisers der Franzosen 1814; Schönberg aber schrieb, mitten im Zweiten Weltkrieg, für das Publikum seiner Zeit. Und wir hören Worte und Musik mit unseren heutigen Ohren: „Ist das der Herr von tausend Reichen, der alle Welt besät mit Leichen? Und mag er’s überleben?“, fragt Sprecher-Sänger Andrew Munn (Bass) sein Gegenüber, die vier Streichinstrumente und das Klavier (Marcel Mok). „Nein“, antworten diese. Wie der Chor einer griechischen Tragödie reagieren die Instrumente auf das Gesagte, hinterfragen, wimmern und kommentieren, mit Klängen von schneidenden Schwertern, Marschieren und Pferdegetrappel. Oder auch einmal mit Schweigen. Munn scheint die Figur des auf ein Nichts reduzierten Herrschers buchstäblich in seiner Hand zu halten – mal verächtlich, mal staatstragend spricht er ihn an. Das Ganze hat einen Drive, dem man sich nicht entziehen kann, bis zum ironischen Schlussakkord.

Leiseres Drama im zweiten Stück: Pulsierend beginnt es in der Bratsche (sehr präsent: Seo Hyeun Lee), bevor die anderen Mitglieder des Quartetts (Georgii Moroz und Benjamin Günst, Violine; Yehjin Chun, Cello) in die Unterhaltung eingreifen. Pavel Haas vollendete das letzte seiner Streichquartette 1938, im Jahr des Münchner Abkommens, das die Annexion des Sudetenlands durch das Deutsche Reich ermöglichte. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er 1941 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er weiter komponierte und Stücke zur Aufführung brachte; 1944 wurde er in Auschwitz ermordet. Vieles in Haas‘ Musik erinnert an seinen Lehrer Leoš Janáček: der sprechende Tonfall, die Klangfarben. Wie dieser greift Haas mit Rhythmen und Harmonien auch die Volksmusiktradition seines Landes auf – als Teil seiner musikalischen Identität oder als Statement. War der Klang der Streicher, inspiriert durch das Klavier, bei Schönberg oft perkussiv, wird er jetzt allmählich transparenter, wärmer. Die vier Musiker sind ein Organismus, zusammengehalten durch Klang, gemeinsames Atmen, Blicke, Gesten. Und in diesem überschaubaren Raum – nicht Kammer, aber eben auch nicht wirklich Saal – werden die Zuhörer direkt Teil des Geschehens, vibriert die Luft – totale Immersion, die einen klanglich ziemlich umhaut.

In der Pause heißt es dann erst einmal: Spannung raus. Da sind die Musiker an der Bar und schenken Getränke aus, während das Publikum aller Altersklassen plaudernd auf der Straße, im Innenhof und zwischen den Stühlen steht. Unter den Gesprächspartnern viele, die schon in der letzten Saison dabei waren: Musikliebhaber aus ganz Berlin, Kollegen der Musiker, aber auch so mancher Kiezbewohner, angeworben von Freunden und angezogen durch „Musik, die man sonst nicht so oft hören kann“.

Und dann Schostakowitsch. Dessen gerne gespieltes Klavierquintett war im Ergebnis eine der vielen Rehabilitierungsmaßnahmen des 1936 bei der politischen Führung in Ungnade gefallene Komponisten. Das Stück wurde bei seiner Uraufführung 1940 vom Moskauer Publikum begeistert aufgenommen; Schostakowitsch selbst erhielt dafür 1941 den Stalin-Preis erster Klasse. Das eingängige Quintett, für das Benjamin Günst und Georgii Moroz die Rollen getauscht haben, kommt in Form und Harmonik ganz (neo-)klassisch daher. Besonders in der Fuge, und später auch im Intermezzo, zieht uns die von den Musikern schwebend und transparent gestaltete intime Atmosphäre der Musik in ihren Bann, auf einmal sind wir in einer anderen Welt. Aber unheimliche Schritte im Klavier stellen bald klar, dass dies nur eine trügerische Ruhe ist. Alles nur ein Scherz – oder das Wissen darum, dass im Leben nichts gewiss ist?

Viel Begeisterung und strahlende Gesichter beim Schlussapplaus. Rote Rosen überreicht ein Freund des Ensembles. Man darf gespannt sein, wie die energiegeladenen jungen Musiker des Tonhain-Kollektivs den Faden weiterspinnen. Von William Byrd über Amy Beach bis zu Jimi Hendrix‘ ikonischer Version des „Star Spangled Banner“ reicht das Programm der nächsten Monate. Eines ist sicher: Langweilig wird es nicht werden.

Anmerkung: Dieser Text ist zuerst am 27.09.2025 in den Stadtrand-Nachrichten erschienen.

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Berlin Musik

Spektakuläre Kammermusik im ehemaligen Kino

„RESIST! – The sound of defiance“. Mit diesem Aufruf und viel Energie startet das in Steglitz ansässige TonhainKollektiv am 26. September in seine zweite Saison. Der Weltlage und allen Herausforderungen der Berliner freien Musikszene zum Trotz wollen die jungen Spitzenmusiker vor allem eins: exzellente Kammermusik auf Weltniveau mit ihren Zuhörern teilen und ihnen Klänge und Zusammenhänge vermitteln, die sie vorher (so) noch nicht gehört haben.

An einem regnerischen Morgen treffe ich mich mit Benjamin Lai und Yehjin Chun, den beiden Vorsitzenden des Kollektivs, im Tonhain, dem neuen Konzertsaal, der Sitz und Namensgeber des Ensembles ist. Noch wird gebaut in den Räumen des ehemaligen Asta-Kinos in der Thorwaldsenstraße. Die letzten akustischen Paneele werden angebracht, Kabel hängen aus den Wänden. „Aber eigentlich passt dieser Look ja prima zu Berlin“, scherzt Yehjin Chun, die hier Cello studiert hat, Preisträgerin renommierter Wettbewerbe ist und als Solistin mit namhaften Orchestern auftritt. Auch Benjamin Lai ist international erfolgreicher Cellist, im Berliner Konzerthaus und Wiener Musikverein ebenso wie in der Hamburger Laeiszhalle zu hören. Die beiden haben sich vor einigen Jahren im Studium kennengelernt.

Wie kam es zu der Location im Südwesten Berlins? „Ich suchte vor drei, vier Jahren einen Raum für ein Tonstudio, den man auch als eher intimen Kammermusiksaal nutzen konnte. So etwas fehlte in Berlin, und es fehlten Auftrittsmöglichkeiten für jüngere Musiker. Gleichzeitig wollten wir die Freiheit haben, unsere Programme und auch alles drum herum selbst zu gestalten“, erklärt Benjamin Lai. „Wir können hier mit Freunden und Gleichgesinnten Werke spielen, die man sonst nicht so oft hört. Und man nimmt in diesem Raum als Zuhörer die Musik ganz unmittelbar wahr, da knistert im Konzert wirklich die Luft!“

Im eigenen Saal – das Tonhain-Kollektiv im Konzert (c) Clara Evens
Im eigenen Saal – das Tonhain-Kollektiv im Konzert (c) Clara Evens

Um solche Konzerterlebnisse möglich zu machen, wurde der alte Kinosaal vollständig umgebaut, akustisch für Kammermusik optimiert, und bietet jetzt Raum für bis zu 99 Zuhörer. Demnächst wird er auch für professionelle Ton- und Videoaufnahmen zur Verfügung stehen – Benjamin Lai ist nicht nur Vorsitzender des Tonhain-Kollektiv e.V., sondern zugleich auch Geschäftsführer seiner eigenen Tonhain GmbH. Die Vision ist klar: „Als Kino war dieser Ort schon einmal Anlaufstelle für kulturell interessierte Menschen hier im Bezirk; an diese Tradition wollen wir anknüpfen!“ In Steglitz ist das Ensemble präsent, spielt auch einmal in einer hiesigen Schule. Es gibt Projekte für Kinder und eine enge Kooperation mit dem nicht weit gelegenen Kulturhaus Schwartzsche Villa. Immer wieder steht dabei, wie in der Hamburger Elbphilharmonie im Januar dieses Jahres, auch Filmmusik auf dem Programm.

Für ihre eigenen Konzertreihen im Tonhain suchen die Musiker stets ein übergreifendes, aktuelles Thema, beleuchten es von allen Seiten. Ihre erste, vollständig ausverkaufte Saison unter dem Titel „Machine Counterpoint widmete sich der Beziehung zwischen Musik, Mensch und Maschine. In diesem zweiten Jahr geht es um Widerstand und Rebellion und die Frage, wie Komponisten verschiedener Kontinente und Epochen Protest in ihrer Musik ausdrücken. Neu im Programm: Drei so genannte „Interludes“, Zwischenspiele, in denen musikalische Werke in einen Dialog mit anderen Disziplinen treten. So werden dann die Schriften der Literaturnobelpreisträgerin Han Kang mit Werken des unter japanischer Herrschaft internierten koreanischen Komponisten Isang Yun in Bezug gesetzt, oder der politische Aktivismus des Italieners Luigi Nono wird musikalisch erfahrbar. Wer für diese besonderen Veranstaltungen noch eine Karte ergattern will, sollte sich allerdings sputen – die ersten Konzerttermine sind bereits ausgebucht.

Letzte Vorbereitungen: die beiden Vereinsvorsitzenden Benjamin Lai und Yehjin Chun (c) Benita Schauer
Die beiden Vereinsvorsitzenden Benjamin Lai und Yehjin Chun (c) Benita Schauer

Zum Glück gibt es eine Gelegenheit zur Vorverkostung: Am Samstag, dem 6. September feiert die Schwartzsche Villa ihr dreißigjähriges Bestehen als kulturelles Zentrum des Bezirks. Um 17.15 Uhr spielen vier Cellisten des Tonhain-Kollektivs, darunter auch die beiden Vereinsvorsitzenden, ein vielseitiges Programm, von Rossini und Wagner bis zu Carlos Gardel. „Mit einem Cello-Quartett kann man sehr lustige Sachen machen“, grinst Yehjin Chun. Benjamin Lai ergänzt: „Wir versuchen, mit unserer Musik ein neues Publikum zu erreichen. Wir moderieren unsere Konzerte, vor allem, wenn es um Zeitgenössisches geht, damit man ein bisschen Kontext hat. Da kommen dann die Leute hinterher und sagen, „eigentlich bin ich nicht so ein Fan von solcher Musik, aber das war toll!“

Tonhain-Kollektiv e.V., Thorwaldsenstraße 26, 12157 Berlin, www.tonhain-kollektiv.org/de

Kulturhaus Schwartzsche Villa, Grunewaldstraße 3, 12165 Berlin https://www.berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/auf-einen-blick/kultur/schwartzsche-villa/30-jahre-schwartzsche-villa-1588428.php

Anmerkung: Dieser Text ist am 4. September 2025 in den Berliner StadtrandNachrichten erschienen




 

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Ecuador Musik

Mit Mozart und drei Klavieren durch Ecuador

Erst im letzten Moment sehe ich, dass der betagte rote Chevrolet vor mir nicht mehr fährt, sondern mitten auf der Spur angehalten hat. Ich trete heftig auf das Bremspedal, aber es reicht nicht mehr. Der Vordermann öffnet die Tür seines Wagens, steigt aus, kommt genervten Blickes auf mich zu. In diesem Moment klingelt mein Handy: „Gerade hat mich der Dirigent des Sinfonieorchesters von Loja angerufen. Ich soll ihm ein Mozart-Konzert anbieten, egal welches. Bist Du dabei, wenn wir KV 242 für drei Klaviere machen?“ Der das fragt ist Andrés Torres, ecuadorianischer Pianist und immer daran interessiert, gute Musik in die entlegeneren Orte seines Landes zu bringen. „Du weißt, dass unser früherer Bundeskanzler das auch einmal gespielt hat? Gib mir zwei Stunden, ich stecke gerade in einem Unfall!“ Zwei Stunden später sage ich zu. Noch weiß ich nicht, dass hier gerade ein Road Movie beginnt, der uns mit zwei Flügeln im Gepäck von Quito in das beschauliche Loja, und über Cuenca und Riobamba wieder zurück in die Hauptstadt Ecuadors führen wird.

Ich bin Laienklavierspielerin. Aufgewachsen mit Musik als der Hauptbeschäftigung meiner Teenagerjahre. Das Musizieren hat mich während meines unsteten Berufslebens begleitet, in vielen Ländern, in denen von einer Klassik-Szene nicht die Rede sein konnte. Was dort nicht vorhanden war, dachte man sich aus, machte es selbst, schuf es neu. In Ecuador ist das nicht anders. Andrés Torres und ich haben gerade gemeinsam ein vierhändiges Programm gespielt. Wir wissen, dass musikalisch die Chemie stimmt. Nun sind wir zu Dritt: Mit im Bunde ist die siebzehnjährige Emilia Verdugo, Andrés’ augenblickliche Starschülerin.  Aber weder Emilia noch ich sind je mit Orchester aufgetreten. „Ich mache jetzt mal den Helmut Schmidt“, witzele ich am Telefon gegenüber Freunden in Deutschland, und frage mich, wie der damals Noch-Kanzler 1981 die Proben mit Justus Frantz und Christoph Eschenbach wohl in seinem mit Terminen gefüllten Alltag untergebracht hat. 

Es gibt noch eine größere Herausforderung: Mit Ausnahme der „Casa de la Música“ in Quito verfügt kein Konzertsaal Ecuadors über die drei Instrumente, die wir für das Konzert benötigen. Da trifft es sich gut, dass Emilias Vater, Daniel Verdugo, der einzige Klavierbauer des Landes ist. Ein von ihm im Jahr 1994 angefertigter Flügel, sein erster, wird mit uns auf die Reise gehen, ebenso wie sein jüngstes Produkt mit dem Geburtsjahr 2020. Proben tun wir aus praktischen Gründen direkt in der Werkstatt, zwischen trocknendem Holz und losen Saiten. Großvater Luís Verdugo und die Familienhunde hören zu. Emilia hat den Laptop auf dem Flügel stehen, denn es gibt keine Noten zu kaufen in Ecuador.

Von Loja im Süden….

Zwei Monate später sitzen wir zu früher Morgenstunde in der ersten Probe mit dem Sinfonieorchester von Loja. Das ruhige Städtchen mit rund 250.000 Einwohnern liegt weit weg von Quito im Süden des Landes, bezeichnet sich aber gerne als kulturelle und musikalische Hauptstadt. „Hier beherrscht in jeder Familie irgendjemand ein Instrument“, erklärt uns ein Familienvater. Er selbst ist Berufsmusiker bei der Polizei und hat seine fünf Kinder schon lange vor der Pandemie in einer reinen Online-Schule angemeldet, „damit sie mehr Zeit für das Konservatorium haben!“ Unter dem Staatspräsidenten Rafael Correa erhielt die Stadt Loja im Jahr 2016 einen ihrem Selbstverständnis angemessenen Konzertsaal.  Das „Teatro Benjamín Carrión“ verfügt über 900 Sitzplätze und eine hervorragende Akustik. Das örtliche Orchester spielt häufig vor vollem Haus; der Eintritt ist frei, gesetzliche Vorschrift.

Kleine Stadt mit großem Saal – das Teatro Benjamín Carrión wurde während der Präsidentschaft Rafael Correas erbaut ©Roberto Gonzalez

Und so ist auch am Konzertabend der Saal gut gefüllt. Das Mozart-Konzert wird hier zum ersten Mal überhaupt aufgeführt. Funk und Fernsehen haben das Ereignis seit Tagen angekündigt; vor lauter Interviews wissen wir kaum noch, wie wir heißen. Im Publikum sitzen zahlreiche Kinder und Jugendliche, die am Tag zuvor Andrés Torres vorgespielt haben – von der etwas gestolperten Clementi-Sonate bis zum souverän dargebotenen Beethoven-Konzert. Viele Stunden lang hat Andrés ohne Pause zugehört, ermutigt, Ratschläge gegeben. Jetzt bei Mozart ist es mucksmäuschenstill im Publikum, man spürt die Begeisterung und den Stolz auf das von Iñigo Pirfano präzise und mit Wärme dirigierte Orchester. Nach der Musik trifft man sich, wie in Ecuador üblich, mit den Fans auf der Bühne. „Bitte noch ein Foto mit den Pianisten, und mit meiner Tochter, sie spielt auch Klavier, das wird sie motivieren!“ 

… über die Weltkulturerbestadt Cuenca…

Am nächsten Morgen piepst am Frühstücksbuffet Andrés’ Telefon. „Wir haben endlich die Zusage für den Saal in Cuenca!“ Seit Wochen hatte das dortige Orchester die Noten, stand der Konzerttermin fest, nicht aber der Raum. Fünf Tage später grüßt uns das Murmeltier. Im „Teatro Pumapungo“ neben dem städtischen Museum beäugen uns die Musiker der Weltkulturerbe-Stadt mit ein wenig Zurückhaltung. Der Raum ist groß, aber die Bühne klein, man kann hier eigentlich viel kammermusikalischer agieren als in Loja. Erleichterung auf allen Seiten, als die Probe problemlos verläuft. Das Konzertpublikum am folgenden Abend ist uns nah und begeistert – Applaus mitten in der Kadenz des ersten Satzes, jede Operndiva wäre zufrieden. Vor allem aber ist dieser Abend eine Hommage an den ursprünglich aus Cuenca stammenden Luís Verdugo, ebenfalls Klavierbauer, Vater von Daniel, Großvater der Pianistin Emilia. Gerührt steht der 91-jährige am Bühnenrand, hinter ihm seine Flügel, neben ihm die begabte Enkelin, vorne applaudiert der Saal.

Vier staatlich finanzierte Orchester gibt es in Ecuador, neben Loja und Cuenca sind es das von Guayaquil an der Küste und das „nationale“ Sinfonieorchester OSNE in Quito. Gemessen an den durchschnittlichen Gehältern im Land werden die Musiker gut bezahlt; eine Festanstellung in einem dieser Klangkörper ist deshalb attraktiv. Die Besetzung der Dirigentenposten hingegen ist dem jeweils in Quito agierenden Kulturminister überlassen. Wechselt der Minister, was in Ecuador häufig vorkommt, beginnt allseits das große Zittern. Am 17. Mai dieses Jahres hat Präsident Lasso die Auflösung des Parlaments und seinen eigenen Rücktritt erklärt, am 20. August 2023 werden Neuwahlen stattfinden. Dann mag es auch in der Kulturszene bald allerorts wieder heißen, „neues Spiel, neues Glück.“

…und das hochgelegene Riobamba…

Nächste Station. In der hochgelegenen Stadt Riobamba, wegen ihrer unwirtlichen Temperaturen im Volksmund gerne auch „Friobamba“ genannt, kann man von einem voll finanzierten Orchester nur träumen. Vor sieben Jahren wurde hier das „Orquesta Municipal de Riobamba“ gegründet: wenige Profis und viele ehrgeizige Jugendliche, die an fünf Nachmittagen der Woche zu Einzelunterricht und Probe im frisch renovierten „Teatro León“ erscheinen. Andrés Mejía, der das Orchester leitet, unterrichtet Geige und Kontrabass – es überrascht nicht, dass die Kontrabasssektion in diesem Ensemble ein wenig größer ist, als sie das sonst bei Mozart wäre. Aber auch hier steht das Publikum am Konzertabend geduldig Schlange, ist der Saal bis zum letzten Platz gefüllt, hat die Stadt das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu erleben. Wie sagte Ricardo Muti unlängst in einem Interview mit dem Online-Magazin „VAN“: „Was für mich…keine Rolle spielt, ist … die große Stadt, der große Saal, der geschichtsträchtige Ort. Das habe ich alles schon oft genug gemacht. Aber wenn ich an Orte wie diese komme, dann treffe ich die echten Menschen.“ Er hätte von Riobamba sprechen können.

Andrés Torres hat am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau studiert und mehrfach länger in Europa gelebt. In Quito ist er Professor für Klavier an der staatlichen Universidad Central, deren Musikfakultät er mit aufgebaut hat. Mit seiner Stiftung „Fest & Arts“ organisiert er regelmäßig Konzerte ecuadorianischer und internationaler Musiker; im Rahmen des Programms „Programa Bellas Artes Ecuador“ unterrichtet er hochbegabte Kinder, um sie gezielt auf ein späteres Studium vorzubereiten. Die Förderung junger Musiker und Ensembles ist ihm eine Herzensangelegenheit; geduldig geht er auch während der Proben in Riobamba auf die Fragen der Orchestermitglieder ein, lobt und erklärt.

…in die Iglesia de la Compañía in Quito

Fehlt noch der letzte Akt in diesem Spiel: Quito. Allmählich hat es sich in den „gut informierten Kreisen“ der kleinen Musikwelt von Ecuador herumgesprochen, dass der „Mozart für drei Klaviere“ einen unterhaltsamen Abend verspricht. Aber in der Hauptstadt sind die Macht- und Raumverhältnisse komplexer als in der Provinz. Die wunderbare Jesuitenkirche „Iglesia de la Compañia“ in der historischen Innenstadt wird gewohnheitsrechtlich vom hiesigen Sinfonieorchester OSNE als Konzertkirche genutzt. Jetzt soll das junge Orchester aus Riobamba zu einer Art Bildungsreise nach Quito kommen und mit uns in der Kirche spielen. Dirigent und Musiker sind von der Aussicht begeistert und hochmotiviert. Aber die Verhandlungen mit den Padres ziehen sich in die Länge, die Organisation ist kompliziert: Die „Compañía“ kann keine Stühle oder Notenpulte zur Verfügung stellen, und einen Flügel besitzt sie auch nicht. Die Straße vor der Kirche wird gerade neu asphaltiert, also müssen die nunmehr drei Verdugo-Instrumente auf Rollbrettern durch die Fußgängerzone transportiert werden. Zu allem Überfluss kündigt auch das OSNE drei Tage vorher plötzlich ein Konzert an, ebenfalls in der Innenstadt, am gleichen Tag und zur selben Uhrzeit.

Aber dann geht am Ende, wie so oft in Ecuador, doch alles gut. Das Orchester aus Riobamba kommt nach mehrstündiger Busfahrt noch rechtzeitig zur Probe in Quito an. Der strömende Regen hört kurz vor Konzertbeginn auf. Das Licht in der voll besetzten Kirche reicht gerade aus, um die Noten zu erkennen. Die jungen Musiker spielen sich bei Mozart die Seele aus dem Leib. Und das Publikum ist zufrieden. 

5. Juli 2023

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Ecuador Musik

Musizieren für ein anderes Leben

„Das ist doch hier schon fast wie in Europa, oder?“ Álvaro Panchi grinst. Mit ausgebreiteten Armen steht er auf dem Dach der Schule „San Marino“ weit im Süden von Quito. Unten strömt lärmend der Autoverkehr; aus dem grauen Beton des Gebäudes ragen Stahlträger in die Luft. Rechts von uns steht ein winziges Häuschen wie aufgeklebt auf dem Schuldach „Hier wohnt Montserrat, eine unserer jüngsten Schülerinnen. Morgens besucht sie den Schulunterricht, nachmittags bekommt sie ihre musikalische Ausbildung in Gehörbildung, allgemeiner Musiklehre, Klavier. Für musikbegabte Kinder ist das hier ideal!“. Álvaro Panchi ist in Wien ausgebildeter Geiger. Zehn Jahre hat er in der österreichischen Hauptstadt studiert und gelebt, in bekannten Orchestern gespielt. Auch zwei seiner Brüder leben als Musiker in Europa. Ihn aber hat es zurückgezogen nach Ecuador. Der Einunddreißigjährige hat ein ehrgeiziges Ziel: In seinem „Programa Bellas Artes“ (PBA) die zukünftige musikalische Elite seines Heimatlandes auszubilden. 

In einem schlichten Klassenraum kneten an diesem Samstagmorgen acht Kinder im Kindergartenalter Salzteig. „Das heute ist sozusagen der Vorkurs zu unserem Programm. Diese Kinder sind hier, weil ihre Eltern möchten, dass sie eine musikalische Grundausbildung bekommen. Wir trainieren mit ihnen Fein- und Grobmotorik, tanzen, singen und bringen ihnen eher spielerisch Tonhöhen, Notennamen und Notenwerte bei. Instrumentalunterricht haben sie in dieser Phase noch nicht. Aber wir beobachten, wer besonders gut hört, wem auch komplizierte Rhythmen schnell verständlich sind, und wer regelmäßig und pünktlich zum Unterricht kommt.“ Das pünktliche Erscheinen ist die erste Herausforderung für viele Familien: Einige von ihnen wohnen über eine Stunde entfernt im kleinen Latacunga. Der Verkehr und das unberechenbare Wetter können da schnell die Planung durcheinanderbringen.

Álvaro Panchi Programa Bellas Artes
„Für musikbegabte Kinder ist das hier ideal“. Álvaro Panchi, der Initiator des „Programa Bellas Artes“

Szenenwechsel. Ein Dienstagnachmittag im „Nationalen Konservatorium“ in der Innenstadt Quitos. Der Hörsaal ist bis zum letzten Platz gefüllt; Schüler sitzen auf dem Boden, Lehrkräfte stehen an den Wänden. Vorne haben sich fünfzehn aufgeregte Kinder in grünen T-Shirts mit der Aufschrift „PBA“ versammelt. Zum ersten Mal sollen sie heute öffentlich auftreten. „Ich habe als Kind Gehörbildung gehasst“, bekennt Álvaro Panchi zu Beginn der Aufführung. Seine Schützlinge dagegen scheinen das Solfège, das Benennen, Singen und Wiedererkennen von Tonhöhen, zu lieben. Ob fünf Jahre alt oder fünfzehn — entspannt kommen sie nach vorne, schreiben unter dem Beifall des Publikums nach Diktat Melodien, komplexe Rhythmen, Harmoniefolgen an die Tafel. Der kleine Luis Ángel, den alle nur „Angelito“ nennen, spielt eine Beethoven – Sonatine: differenziert und mit sehr reifer Körperbeherrschung. Um das Pedal zu erreichen, muss er immer wieder kurz vom Hocker rutschen, die Beine sind noch zu kurz. Kaum hat er sein Stück beendet, springt der Sechsjährige wie ein Gummiball vom Klavierhocker, verbeugt sich und rennt lachend quer über die Bühne zu seinen Kameraden. Wie alle anderen Kinder des Programms verfügt Angelito über ein absolutes Gehör, beim Diktat erkennt er sofort jeden Ton, der ihm vorgespielt wird. Und auch sonst fällt ihm das Wiedergeben von Gehörtem und Gelesenem nicht schwer: Mit beseeltem Blick und vollem Körpereinsatz trägt, nein: spielt mir der Zweitklässler ein langes Gedicht vor, das er für eine Schulveranstaltung gelernt hat. „Literatur und Dichtung mag ich in der Schule am liebsten“, verkündet er ernsthaft.

Spaß und Durchhaltevermögen haben hier alle

Was so einfach und unterhaltsam wirkt, verlangt im Alltag viel Konzentration und Durchhaltevermögen von den Kindern. Vier Nachmittage in der Woche kommen sie nach dem Schulunterricht zur musikalischen Ausbildung in die Schule „San Marino“ oder zum Instrumentalunterricht in die „Villa Celia“ im Zentrum Quitos. An solchen Nachmittagen kann es dort passieren, dass man die Tür zur Besenkammer öffnet – um einen zwölfjährigen Geiger zu finden, der im Halbdunkel zum Klappern des Metronoms Kreisler übt. Oft nehmen die Familien lange Fahrwege zwischen Wohnort, Schule und Musikunterricht in Kauf, um ihren Kindern diese Ausbildung zu ermöglichen. „Ich selbst musste als Kind nachmittags ständig zwei Stunden im überfüllten Bus fahren, um zum Konservatorium zu kommen. Das war wirklich anstrengend! Jetzt möchte ich, dass „unsere“ Kinder direkt dort zur Schule gehen, wo sie auch den Musikunterricht erhalten. Das spart so viel Zeit und Kraft!“

Die kleinen Musikschüler kommen aus dem ganzen Land. Manche Kinder sind der Musik wegen extra nach Quito gezogen, so wie die sechsjährige Montserrat, die aus einem kleinen Dorf im Süden Ecuadors stammt. Ersten Unterricht erhielt sie über Zoom; eine Weile pendelte sie dann für ihre Klavierstunden jeweils anderthalb Stunden in die nächste größere Stadt. Als sie besseren Unterricht brauchte, fuhr sie einmal pro Woche nach Quito, acht Stunden im Überlandbus, hin und zurück. Dass sie auf Dauer dorthin umziehen wollte, war dem Mädchen und ihren Eltern bald klar. Jetzt endlich wohnt Monserrat mit ihrem Vater hier, direkt auf dem Schulgelände. Die Unterkunft ist schlicht, denn das Geld ist knapp. Wie bei vielen ihrer Kameraden. Für ihre Ausbildung zahlen sie einen eher symbolischen Beitrag; die Instrumentallehrer, die alle im Ausland studiert haben, erhalten für ihren Einsatz nur einen Bruchteil dessen, was sie anderswo verdienen würden.

„Mit dem PBA wollen wir unsere begabtesten Kinder auf ein Musikstudium vorbereiten“

So wie Mateo Celi. Der Cellist hat in Paris studiert; jetzt lehrt er in Quito unter anderem als Professor an der staatlichen „Universidad Central“: „Als ich nach Frankreich kam, hatte ich erst einmal wahnsinnige Mühe, all das nachzuholen, was ich in Ecuador noch nicht gelernt hatte. Mit dem PBA wollen wir unsere begabtesten Kinder so umfassend unterrichten, dass sie auf ein anspruchsvolles Musikstudium vorbereitet sind.“ Dazu gehört eine breit angelegte Ausbildung, die die Schwächen des hiesigen Schulsystems ausgleicht. Die jungen Musiker besuchen zwar normale Schulen, „aber wir versuchen dafür zu sorgen, dass sie dort nicht so viel Zeit mit stupiden Aufgaben verbringen müssen.“ Stattdessen sollen im nächsten Schuljahr Englischunterricht und Theater Teil des Programms werden. „Und Schlagzeug für alle, damit sie auch unsere Latino-Rhythmen richtig spielen können!“, sagt Álvaro Panchi. Celi und er kennen sich seit vielen Jahren, gemeinsam haben sie schon als Jugendliche von einer besseren Musikausbildung in Ecuador geträumt.

Die Finanzierung dieses Traums ist allerdings ein ständiges Problem. „Aber irgendwann und irgendwoher wird das Geld kommen. Wir müssen nur bekannter werden! Wir müssen auftreten, eine richtige Show entwickeln!“ Ein wenig fühlt man sich an Vater Mozart erinnert, der sich von den großen Reisen mit Wunderkind Wolfgang reiche Einnahmen erhoffte. Eine Hoffnung, die nur allzu oft enttäuscht wurde. Aber wahrscheinlich haben einige Kinder des „Programa de Bellas Artes“ gar keine andere Wahl. „Manche von ihnen haben schon im Alter von fünf oder sechs Jahren intuitiv verstanden, dass ihnen die Musik möglicherweise ein anderes, bürgerlicheres Leben ermöglicht. Ich weiß natürlich, dass das nicht in allen Aspekten so stimmt, aber ich sage ihnen ‚je besser Du spielst, desto mehr Chancen hast Du‘. Das ist für diese Kinder keine Belastung, sondern eine Motivation!“ Den unbedingten Willen zum Erfolg haben sie alle; auf ihre Chance warten sie noch.

12. Mai 2023

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Ecuador Musik Textos en español

Pianos de cola, made in Ecuador 

Un amigo director de orquesta me contó una vez que, durante un concierto familiar en una ciudad del Ecuador, preguntó qué familias de instrumentos conocían los niños presentes. Respondieron hecho un tiro, pero de manera muy diferente a lo que él esperaba: „Paccha, Gallegos, Godoy…“. Los niños no sabían necesariamente los nombres de todos los instrumentos de la orquesta, pero sí conocían las familias de las que procedían casi todos los músicos conocidos. Las tradiciones familiares siguen siendo inmensamente importantes en el Ecuador actual: tal como el padre, y en ocasiones también la madre, así también a menudo el hijo y la hija, nietos y bisnietos. Igual cosa sucede con la familia fabricante de pianos Verdugo

Daniel Verdugo Álavarez comenzó a fabricar instrumentos de teclado en los aňos 30 del siglo pasado, en la sureña ciudad de Cuenca: produjo armonios para el uso en los servicios religiosos, y pianolas, pianos autoejecutables. Su hijo Luis, nacido en 1931, creció, por así decir, en el taller del padre, fascinado con las teclas y las cuerdas, y aprendió el oficio del constructor de pianos. Pero Cuenca, en aquella época, era pequeña, el número de pianos limitado y las condiciones de trabajo precarias. Por ello, a los 19 años, Luis Verdugo se trasladó a Quito, la capital del país. Allí había muchos instrumentos de teclado en las casas de personas adineradas de la ciudad, a menudo en un estado lamentable.

El reconocimiento de Verdugo como afinador de pianos se produjo con un concierto de Arthur Rubinstein

El joven Luis afinaba, reparaba, restauraba, y poco a poco se ganó cierta reputación entre los músicos de Quito. Pero su verdadero reconocimiento se produjo cuando, en septiembre de 1953, fue llamado en último minuto para ayudar a afinar el piano de cola del Teatro Sucre, entonces la principal sala de conciertos de la ciudad, con motivo de un concierto de Arthur Rubinstein. Las funciones de pianistas de fama mundial eran, entonces como ahora, raras en Quito, y Rubinstein había amenazado con irse, porque el instrumento no cumplía con sus expectativas en los ensayos. Verdugo vino y se dedicó al piano, el solista quedó satisfecho y el concierto fue un gran éxito. De pronto, el nombre Luis Verdugo era reonocido en círculos más amplios de la ciudad.

Pero no sería hasta principios de los años noventa cuando se aventuró a construir su propio instrumento, junto a su hijo también llamado Daniel. El primer piano de cola de la empresa familiar Verdugo se completó en 1994. Desde entonces, 26 instrumentos han nacido en Sangolquí, cerca de Quito, donde la familia vive junto al taller desde hace un cuarto de siglo. La Orquesta Sinfónica de la pequeña ciudad de Loja posee un piano Verdugo, al igual que el Conservatorio Nacional de Quito o la Universidad Técnica de Ambato. Cuando se celebró el Mundial de Fútbol en Alemania, en el 2006, no sólo la Tri, la selección nacional del Ecuador, viajó a Europa para el torneo, sino también un piano de cola Verdugo. El pianista ecuatoriano Boris Cepeda, quien hoy vive en Weimar (Alemania), dió conciertos con el instrumento en las cinco ciudades donde actuó el equipo ecuatoriano.

Concierto de cumpleaños con los instrumentos del propio taller

Una noche de noviembre de este año, Luis Verdugo, que acaba de cumplir 91 años, ocupa un asiento de la primera fila durante el concierto ofrecido en su honor en la „Villa Celia“, la casa de la pianista Celia Zaldumbide, fallecida en el aňo 2014. Como es usual, lleva su característica boina de color azul oscuro. Al igual que el difunto ex canciller alemán Helmut Schmidt, también un entusiasta pianista, y quien seguro le sonríe desde el más allá. Todas las generaciones de la familia Verdugo están presentes: sus dos nietas Daniela y Carolina llevan ya varios años trabajando en el taller, el bisnieto, de pocos meses, gorjea del brazo de su madre. Dos pianos de cola están listos en el escenario para la actuación, uno de ellos terminado en el taller Verdugo en el aňo 2020.

En las dos horas subsiguientes, los pianistas de todo el Ecuador se pasan la posta con los instrumentos, digo, con las teclas, cruzando por todo el país y por todo el repertorio para piano. Los jóvenes premiados en el Segundo Concurso Nacional de Música de Cámara del Ecuador inician con Clara Schumann; siguen Beethoven y Debussy. Una de las pianistas es Emilia, la talentosa nieta de 16 años de Luis Verdugo. El riobambeño Paco Godoy, descendiente también de una dinastía de músicos ecuatorianos, interpreta junto a la cantante Andrea Condor tres boleros folclóricos, „¡que sabemos, maestro, que le gustan mucho!“ El compositor nacido en Loja, Juan Castro, adopta un enfoque más contemplativo con su propio pasillo y un „Padre Nuestro“, compuesto durante la pandemia. Suenan completamente diferente los dos tenores acompañados de Paulina Alemán: Marco Catena y José Cárdenas cantan con entusiasmo „O sole mio“ para el anciano jubilado. Y el italiano Catena, llenas de emoción sus palabras de agradecimiento al „Maestro Luis“, cae involuntariamente en su lengua materna. En ambos pianos tocan juntos Alex Alarcón y Andrés Torres piezas de Piazolla y Milhaud.

Luis Verdugo rodeado de músicos y familiares en noviembre de 2022 ©Fundación Zaldumbide Rosales / Villa Celia
La familia, la profesión, la fe: un vínculo indisoluble

Entonces llega por fin la torta. Y con él todos, la familia y la larga fila de músicos que ahora quieren felicitar en serio. Pero antes, el pianista más joven de la noche, Angelito, de 5 años, también agradece al cumpleañero. Le desea solemnemente la bendición de „Papito Dios“, se dirige al piano de cola y entona la tradicional canción de cumpleaños, con acordes sonoros. Y mientras todos los pianistas se reúnen poco a poco en torno a los dos teclados y adornan así el canto del acompañamiento musical, las velas arden, la gente se abraza y se besa, el grupo en torno a los instrumentos se hace cada vez más grande. Hasta que una cosa se funde en la otra y los músicos, junto con el hijo, las nietas y bisnietos de Verdugo, forman una sola gran familia.

Nota de la traductora: El texto original fue escrito en idioma alemán, para un público alemán. Traducción del castellano: Mónica Thiel

1 de diciembre, 2022

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Ecuador Musik

Konzertflügel made in Ecuador

Ein befreundeter Dirigent erzählte einmal, dass er während eines Familienkonzerts in einer ecuadorianischen Stadt fragte, welche Instrumentenfamilien die anwesenden Kinder kannten. Die Antworten kamen wie aus der Pistole geschossen – aber ganz anders als erwartet: „Paccha, Gallegos, Godoy…“. Die Kinder wussten zwar nicht unbedingt alle Orchesterinstrumente mit Namen zu nennen, aber sehr wohl diejenigen Familien, aus denen fast alle ihnen bekannten Musiker stammen. Familientraditionen haben bis heute eine immense Bedeutung in Ecuador: Wie der Vater, und ab und zu die Mutter, so häufig Sohn und Tochter, Enkel und Urenkel. Bei der Klavierbauerfamilie Verdugo ist es nicht anders. 

Daniel Verdugo Álvarez stellte in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in der im Süden des Landes gelegenen Stadt Cuenca Tasteninstrumente her: Er produzierte Harmonien für den Gebrauch im Gottesdienst, und Pianolas, selbstspielende Klaviere. Sein 1931 geborener Sohn Luis wuchs gewissermaßen in der Werkstatt des Vaters auf, war von den Tasten und Saiten fasziniert, lernte selbst das Handwerk des Klavierbauers. Aber Cuenca war zu jener Zeit klein, die Zahl der Klaviere begrenzt und die Arbeitsbedingungen prekär. Mit 19 Jahren zog Luis Verdugo deshalb nach Quito, in die Hauptstadt des Landes. Dort gab es viele Tasteninstrumente in den wohlhabenden Häusern der Stadt, oft in einem katastrophalen Zustand.

Verdugos Durchbruch als Klavierstimmer kam mit einem Konzert von Arthur Rubinstein

Der junge Luis stimmte, reparierte, restaurierte, und erwarb sich allmählich einen gewissen Ruf unter den Musikern Quitos. Sein eigentlicher Durchbruch aber kam, als er im September 1953 anlässlich eines Konzerts von Arthur Rubinstein im letzten Moment zu Hilfe gerufen wurde, um den Flügel des Teatro Sucre, damals der Hauptkonzertsaal der Stadt, zu stimmen. Gastspiele weltbekannter Pianisten waren, damals wie heute, rar in Quito, und Rubinstein hatte mit Abreise gedroht, weil das Instrument in der Probe nicht seinen Erwartungen entsprach. Verdugo kam und widmete sich dem Flügel, der Solist war zufrieden, und das Konzert wurde ein großer Erfolg. Auf einmal war der Name Luis Verdugo auch breiteren Kreisen in der Stadt bekannt.

Aber erst zu Beginn der Neunziger Jahre wagte er sich, zusammen mit seinem wiederum Daniel genannten Sohn, an den Bau eines eigenen Instruments. Der erste Flügel aus dem Familienbetrieb Verdugo wurde 1994 fertiggestellt. Seitdem haben in Sangolquí bei Quito, wo die Familie seit einem Vierteljahrhundert direkt neben der Werkstatt lebt, 26 Instrumente das Licht der Welt erblickt. Das Sinfonieorchester des kleinen Loja besitzt ein Verdugo-Klavier, ebenso wie das Nationale Konservatorium in Quito oder die Technische Universität von Ambato. Als 2006 die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfand, reiste nicht nur das ecuadorianische Nationalteam zum Turnier nach Europa, sondern auch ein Verdugo-Konzertflügel. Der ecuadorianische Pianist Boris Cepeda, der heute in Weimar lebt, gab auf dem Instrument Konzerte in jenen fünf Städten, in denen das ecuadorianische Team spielte.

Geburtstagskonzert auf den Instrumenten aus der eigenen Werkstatt

An einem Abend im November dieses Jahres sitzt der gerade 91 Jahre alt gewordene Luis Verdugo in der ersten Reihe bei dem Konzert, das in der „Villa Celia“, dem Haus der 2014 verstorbenen Pianistin Celia Zaldumbide, zu seinen Ehren gegeben wird. Wie fast immer trägt er sein Markenzeichen, die dunkelblaue Schirmmütze. Der verstorbene Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, selbst ein begeisterter Pianist, grüßt aus dem Off. Alle Generationen der Familie Verdugo sind anwesend: Die beiden Enkelinnen Daniela und Carolina arbeiten bereits seit einigen Jahren in der Werkstatt mit, der wenige Monate alte Urenkel gluckst auf dem Arm seiner Mutter. Zwei Flügel stehen auf der Bühne für die Darbietung bereit, der eine davon fertiggestellt im Hause Verdugo im Jahr 2020. 

Luis Verdugo im Kreise von Musikern und Familie im November 2022 ©Fundación Zaldumbide Rosales / Villa Celia

In den nun folgenden zwei Stunden geben sich an den Instrumenten Pianisten aus ganz Ecuador die Klinke, nein, die Tasten in die Hand, einmal quer durch das Land und die Klaviermusik. Die jungen Preisträger des zweiten Kammermusikwettbewerbs Ecuadors beginnen mit Clara Schumann; Beethoven und Debussy folgen. Eine der Pianistinnen ist Emilia, die begabte sechzehnjährige Enkelin von Luis Verdugo. Paco Godoy aus Riobamba, selbst einer ecuadorianischen Musikerdynastie entstammend, interpretiert zusammen mit der Sängerin Andrea Condor drei volkstümliche Boleros, „von denen wir wissen, Maestro, dass Sie sie besonders mögen!“. Der in Loja geborene Komponist Juan Castro geht es mit einem eigenen Pasillo und einem in der Pandemie entstandenen „Vaterunser“ eher besinnlich an. Ganz anders die von Paulina Alemán begleiteten zwei Tenöre: Das von Marco Catena und José Cárdenas enthusiastisch geschmetterte „O sole mio“ gilt persönlich dem hochbetagten Jubilar. Und vor lauter Rührung verfällt der Italiener Catena bei seinen Dankesworten an den „Maestro Luis“ unwillkürlich in seine Muttersprache. Alex Alarcón und Andrés Torres musizieren an den beiden Flügeln gemeinsam Piazolla und Milhaud. 

Die Familie, der Beruf, der Glaube – eine unauflösbare Verbindung

Dann kommt endlich die Torte. Und mit ihr alle, Familie und die lange Reihe der Musiker, die jetzt nun wirklich gratulieren wollen. Aber zuvor dankt auch der jüngste Klavierspieler des Abends, der fünfjährige Angelito („Engelchen“), dem Geburtstagskind. Den Segen des „Papito Diós“ („Väterchen Gott“), wie man hier so gerne sagt, wünscht er ihm feierlich, dreht sich zum Flügel und stimmt mit vollen Akkorden das gemeinsame Geburtstagslied an. Und während sich allmählich alle Pianisten um die beiden Tastaturen scharen und zum Gesang schmückendes musikalisches Beiwerk liefern, brennen die Kerzen, wird umarmt und geküsst, vergrößert sich die Gruppe rund um die Instrumente immer weiter. Bis eines in das andere übergeht und die Musiker gemeinsam mit dem Sohn, der Schwiegertochter, den Enkeln und Urenkeln Verdugo eine einzige große Familie bilden. 

29. November 2022

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Ecuador Musik

Jeden Abend ein wenig länger – Ecuador Jazz 2022

Es lebt wieder, das Zentrum von Quito. Am Freitagabend um kurz nach sechs schieben sich die Menschen durch die enge Calle Guayaquil, eilen mit Einkäufen und Kindern beladen über den Theaterplatz. Es dämmert schon, und im wiedereröffneten Café gegenüber dem Teatro Sucre trinken Bildungsbürger und Kunstschaffende den ersten Rotwein des Abends aus Plastikbechern.

Wer im Parkhaus einen Block weiter für das Auto keinen Platz mehr gefunden hat, dem bleiben noch die düsteren Katakomben an der Ecke zur Calle Manabí. Aussteigen im Dämmerlicht, die Tasche fest im Griff, einmal in alle Richtungen umsehen, und dann zügigen Schrittes zum Ausgang. Oben hat sich in einer Ecke des Theaterplatzes ein Streifenwagen positioniert, unübersehbar und mit blinkenden Lichtern. Aus gutem Grund. Denn das größte Problem für die Kultur im Zentrum der Stadt ist mittlerweile nicht mehr die Corona-Pandemie, sondern die Angst der Bürger vor Diebstählen und Überfällen. Die fast zwei Jahre lange Paralysierung des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens führte in der Innenstadt dazu, dass sich schon am frühen Abend kaum noch jemand ohne Not auf der Straße bewegte. Das historische Zentrum wurde zu einer Art rechtsfreiem Raum – einem Raum, den sich die Ladenbesitzer, Theater, Restaurants und Institutionen nun Schritt für Schritt, gewissermaßen Minute für Minute zurückerobern. Dass mit „Ecuador Jazz 2022“ ein wichtiges Festival nun wieder genau hier, im Herzen der Stadt, stattfindet, ist ein gutes Zeichen.

Das Theater bei Tag – ganz ohne Jazz

Im hell erleuchteten Foyer des 1879 – 1886  im Stil des Neoklassizismus erbauten Teatro Sucre stellt der Caterer Soft Drinks und Häppchen auf. Eine Gruppe von Frauen verkauft Naturprodukte und fair produzierte Kleidung sowie Werbematerial rund um das Festival. Die Komponistin und Pianistin Lyzbeth Badaraco mit ihrer Band präsentiert heute Abend ihr zweites Album „Bucle“; anschließend steht ein Konzert der Banda Metropolitana de Quito unter Leitung des amerikanischen Gastdirigenten Matthew Westgate auf dem Programm. Ein spannender Abend – nur die Zuhörer lassen auf sich warten. Lediglich die Hälfte der fast 800 Plätze ist am Ende besetzt, viele wohl mit Freunden und Verwandten der Musiker. „Unsere zentrale Lage ist im Moment unser größtes Problem“, berichtet Stalin Lucero, der Produktionsleiter der Spielstätte. „Wir haben bieten ein wirklich abwechslungsreiches Programm, haben tausend Ideen, aber die Leute fürchten sich zu kommen.“ 

Angst macht taub und blind – und ein Abend im Zentrum lohnt sich

Dabei lohnt es sich. Lyzbeth Badaraco hat neben ihrer Band eine Reihe von Musikerinnen mitgebracht, darunter die bekannte Liedermacherin Grecia Albán und die wirklich spektakuläre Sängerin Alejandra Cabanilla. „Soleá“, eine traurige Ballade zu Worten von Federico García Lorca, widmet Cabanilla der jungen Anwältin María-Belén Bernal, die vor zwei Wochen in den Räumen der hiesigen Polizeiakademie ermordet wurde. Ihr Fall bewegt seitdem das Land; Frauenorganisationen gehen täglich gegen die Missachtung von Frauenrechten und die zunehmende Zahl an Femiziden auf die Straße. Der im Hintergrund laufende Videoclip zu „Soleá“ interpretiert das Lied als Hoffnungsbotschaft an alle Frauen, die sich in ihrem Leben und in ihren beschränkten Möglichkeiten gefangen fühlen.

Wer diese und andere Kompositionen Badaracos nicht nur einmal hören möchte, kann in der Pause am Verkaufstisch ein Set von handbemalten hölzernen Matrjoschkas erwerben, die über einen am Fuss einer Puppe aufgeklebten Barcode das Herunterladen erlauben – auch hier bleibt das Frauenthema präsent.

Nicht CD, nicht Spotify, sondern Matrjoschka – das neue Album von Lyzbeth Badaraco

Anschließend Szenenwechsel. Mit schmissigen Rhythmen holen die „Banda Sinfónica Metropolitana de Quito“ und der brasilianische Saxofonist Felipe Salles das Publikum in den Saal zurück. Das 1990 gegründete Blasorchester hat sich in den letzten Jahren unter Leitung des jungen venezolanischen Dirigenten Luis Alberto Castro trotz Pandemie zu einer festen Größe im musikalischen Leben Quitos entwickelt. Der US-amerikanische Gastdirigent Matthew Westgate von der Massachusetts University ist bereits zum zweiten Mal in Ecuador, um mit dem Ensemble zu arbeiten. Er ist von der Entwicklung des Orchesters sichtlich begeistert. „Ich bin sehr dankbar dafür, mit diesen wunderbaren Musikern zusammenzuarbeiten!“ Die Schlagzeuger beeindrucken gleich zu Beginn des Konzerts mit virtuosen Soloeinlagen; in der zweiten Programmhälfte mit viel „Westside Story“ sind vor allem die langen Linien der Klarinetten ein Genuss. Und was Musikalität und Zusammenspiel angeht, ist die „Banda Metropolitana“ dem Nationalen Sinfonieorchester im Moment sicherlich überlegen. Als wir nach Beifall und Vorhang zufrieden wieder auf dem Theaterplatz ankommen, hat die Bar gegenüber tatsächlich noch geöffnet für ein zweites Glas…

Die selbstproklamierte „Band der Gegenkultur“, Dozenten der Universidad Central, eine kubanische Frauenband – an Vielfalt mangelt es nicht bei Ecuador Jazz 2022

Das Ecuador Jazz Festival 2022 hat seit dem 15. September zehn Tage lang das Zentrum Quitos bespielt. Konzerte im  ehemaligen Kinosaal des Teatro Variedades und eben im Teatro Sucre, Jam Sessions im Restaurant Caponata und der Lounge Curuba mit Gruppen aus Puerto Rico, Kuba, Frankreich, Peru und Argentinien haben zahlreiche Besucher angelockt. Das kostenlose Abschlusskonzert auf dem Theaterplatz leidet am Sonntag zwar unter strömendem Nachmittagsregen, aber das motivierte Publikum zückt die Regenschirme und bleibt – erst einmal. Erst wenn der Abend kommt, wird der Platz wieder verlassen sein, und der blinkende Streifenwagen umso sichtbarer.

27. September 2022

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Dame la fuerza para luchar – „Manuela y Simón“ en Quito

El 24 de mayo de 2022, Quito celebró su „Bicentenario“, el aniversario 200 de la Batalla del Pichincha, en la que los patriotas al mando de Antonio José de Sucre derrotaron al ejército realista y sellaron así la independencia de Ecuador de la corona española. Simón Bolívar, el „libertador de América del Sur“, no tomó parte en la batalla porque se detuvo peleando en Pasto, al sur de lo que hoy es Colombia. Pero, poco después entró a Quito con gran aclamación. Durante esta estancia conoció a Manuela Sáenz, la hija natural de un noble español, mujer comprometida en la lucha por la libertad, quien pronto se convirtió en su amante. Bajo el título „Manuela y Simón – Música de cuando Quito se declaró libre“, estudiantes de la Universidad Central presentaron una síntesis de las artes en la Casa de la Cultura Ecuatoriana, el día de la Batalla de Pichincha, e inspirada en melodías del Quito de 1820.

El Teatro Nacional, con sus 1500 butacas, en esta ocasión se llenó por completo; tampoco hubo mucho espacio en el escenario: alrededor de 60 estudiantes de la Carrera de Artes Musicales conformaban la „Orquesta de la Independencia“, integrando a la vez instrumentos sinfónicos y autóctonos (como quenas, marimbas y zampoñas) que actualmente se estudian en la carrera de música. La orquesta, dirigida por Juan Carlos Panchi y César Santos Tejada, estuvo complementada por un coro de veinte estudiantes y un conjunto de danza interdisciplinario. Moderaron el evento dos experimentados actores y narradores, los docentes Santiago Rodríguez y Madeleine Loayza.

Dos mundos musicales se encuentran

El Quito musical de principios del siglo XIX se caracterizó por dos mundos que no podían ser más diferentes: la música tradicional, pentatónica del pueblo andino, interpretada en su mayoría con instrumentos de viento y percusión, que era lo que la gente común escuchaba y tocaba fuera de los servicios católicos. Los colonos y mestizos de origen español, por otro lado, tuvieron contacto con la música religiosa y cada vez más secular de los gobernantes coloniales europeos, que fue asimilada por compositores locales y desarrollada en su propio estilo.

Ambos elementos confluyen en una colección, del año 1848, de “varias tocatas de violín antiguas y nuevas”, cuyas melodías bailables forman la base de la mayoría de los arreglos sinfónicos de “Manuela y Simón”. Tarea nada fácil, este paso de una forma tan pequeña a una tan grande. Las piezas orquestales “simbióticas” resultantes fueron escritas por Pablo Guerrero Gutiérrez, un incansable y meticuloso investigador de la historia de la música ecuatoriana, y por Juan Carlos Panchi, Coordinador de la carrera de Artes Musicales, entre otros.

La velada comenzó con sonidos folklóricos, o más bien místicos, que, según el excelente folleto del programa, querían evocar la diversidad musical del Ecuador. Pero las siguientes piezas ya cerraron la brecha entre el nuevo y el viejo mundo, entre eventos revolucionarios en dos continentes. A estas composiciones las llamaron “El Yacovino” (Jacobino) y “La guillotina“. En esta su ritmo marcial y su melodía abiertamente hacen alusión a la Marsellesa, para luego convertirse en una ligera pieza de baile.

Melodías que acompañaron la lucha por la independencia

Muchas de las composiciones compiladas en la edición del 1848 tienen títulos originales que hacen referencia a hechos de la lucha por la independencia de Quito: „La derrota en el Panecillo“ o „1° Pichincha“, presuntamente en homenaje a un batallón de luchadores por la independencia que se denominaba así. Y se vuelve aún más específico: „Este valse tocaba la tropa cuando Bolívar entró a Quito“, dice el manuscrito de 1848. Además del vals “moderno” a la época, la contradanza ya un tanto anticuada, aparentemente figuraba entre las danzas preferidas de los quiteños: en la serie de Netflix “Bolívar”, Manuela Sáenz baila esta danza grupal con su futuro amante, a quien acaba de conocer en persona, tal como ella lo escribió en una carta.

En la Casa de la Cultura las cosas ahora se animan con una „Bomba“, un baile tradicional de la población afroecuatoriana del Valle del Chota, que aún hoy es popular en Ecuador; el ritmo en el escenario aumenta, al igual que el entusiasmo en el auditorio. Una de las bailarinas balancea una botella sobre su cabeza sin detenerse en su movimiento de caderas: el público aplaude con fuerza. Y el siguiente „Capuchino“, en realidad un vals con toques de música de salón, también contribuye significativamente a la atmósfera.

No se ha hablado aún de los bailarines. Los doce jóvenes provenientes de todo el Ecuador le dan a la actuación la viveza que de otro modo tal vez le hubiera faltado a un concierto tan sabiamente abordado. Corren, saltan, ruedan por el suelo, transformando lo escuchado en algo concreto y vivido, creando entre la música y el público una conexión, que con su corporeidad recuerda representaciones de „La consagración de la primavera“ de Stravinsky. Y así también forman un vivo contraste con las imágenes de aspecto un poco pálido en el fondo del escenario.

La Universidad Central es la universidad más antigua de Ecuador, pero se ve frente a muchos retos

La Facultad de Artes de la tradicional Universidad Central, la más antigua del Ecuador, cuenta con 1100 estudiantes. “La educación es más importante que cualquier cosa”, se puede traducir su lema del latín. “Nuestros estudiantes provienen de las zonas más pobres del país”, explica la decana de la Facultad de Artes, Carmen Jijón. Lo que muchos estudiantes de costosas universidades privadas dan por sentado, como tener una buena educación y acceso a los estudios de arte, música y danza, a estos jóvenes les ha costado gran esfuerzo. 

“Dame la fuerza para luchar, Manuela” cantan en el estribillo final, escrito para la ocasión por el docente y compositor Luis Rodríguez Pazmiño. Un guiño que incita a recordar la sonoridad de la Carmina Burana. En cualquier caso, no faltan las emociones en esta velada. En la prensa circulan estos días comentarios sobre una supuesta campaña de la nueva dirección de la “Casa de las Culturas”, como ahora se hace llamar en las redes sociales, contra el eurocentrismo y la herencia colonial. Llamémoslo pragmáticamente solo una expresión de confianza en sí mismo. „Adelante, adelante, adelante Universidad Central“, esclama la sala mientras los músicos y bailarines hacen reverencias. Uno solo puede estar de acuerdo con eso. (Adaptación del Alemán: Andrés Torres, Marcela García, Benita Schauer)

25 de mayo de 2022

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Ecuador Musik

„Manuela y Simón“ in der Casa de la Cultura

Am 24. Mai 2022 feiert Quito sein „Bicentenario“, den 200. Jahrestag der Schlacht am Vulkan Pichincha, in der die Aufständischen unter Antonio José de Sucre das spanientreue Heer schlugen und damit die Unabhängigkeit Ecuadors von der spanischen Krone besiegelten. Simón Bolivar, der „Befreier Lateinamerikas“, nahm an der Schlacht nicht teil, da er durch Kämpfe in Pasto, im Süden des heutigen Kolumbiens, aufgehalten wurde, zog aber wenig später umjubelt in Quito ein. Bei diesem Aufenthalt lernte er Manuela Sáenz kennen, uneheliche Tochter eines spanischen Edelmannes und engagierte Freiheitskämpferin, die alsbald seine Geliebte wurde. Unter dem Titel „Manuela und Simón – Musik aus der Zeit, als Quito seine Unabhängkeit erklärte“, präsentieren Studenten der Universidad Central am Tag der Schlacht von Pichincha in der Casa de la Cultura Ecuatoriana ein Gesamtkunstwerk, dessen Inspiration Melodien aus dem Quito der 1820er Jahre bilden.

In dem mit 1500 Zuschauern vollständig gefüllten Saal ist auch auf der Bühne an diesem Abend nur wenig Platz: Rund 60 Studierende des Fachbereiches für Musik bilden das eigens formierte „Orchester der Unabhängigkeit“, das unter der Leitung von Juan Carlos Panchi und César Santos Tejada symphonische und einheimische Instrumente wie Quena und Zampoña vereint. Dazu ein zwanzigköpfiger Chor, ein interdisziplinär genanntes Tanzensemble, und das Ganze moderiert von den souverän agierenden Schauspielern und Dozenten Santiago Rodriguez und Madeleine Loayza.

Zwei musikalische Welten treffen aufeinander

Das musikalische Quito zu Beginn des 19. Jahrhunderts war geprägt durch zwei Welten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Die traditionelle, pentatonisch geprägte Musik der Andenbevölkerung, meist von Blas- und Schlaginstrumenten interpretiert, war das, was die einfache Bevölkerung außerhalb der katholischen Gottesdienste hörte und spielte. Die bereits in Lateinamerika geborenen spanischstämmigen Siedler und Mestizen dagegen hatten Kontakt zur religiösen und zunehmend auch weltlichen Musik der europäischen Kolonialherren, die von Komponisten vor Ort aufgenommen und in ihrem eigenen Stil weiterentwickelt wurde. 

Beide Elemente vereinen sich in der 1848 in Quito zusammengestellten Ausgabe von „Alten und neuen Toccaten für Violine“, deren tänzerische Melodien die Grundlage der meisten symphonischen Arrangements von „Manuela y Simón“ bilden. Keine leichte Aufgabe, dieser Schritt von der ganz kleinen zur ganz großen Form. Die meisten der so entstandenen „symbiotischen“ Orchesterstücke entstammen der Feder von Pablo Guerrero Gutiérrez, einem unermüdlichen und präzisen Forscher zur ecuadorianischen Musikgeschichte. Der Abend beginnt mit volkstümlichen, eher mystischen Klängen, die laut dem exzellenten Programmheft die musikalische Vielfalt Ecuadors evozieren sollen. Aber schon die nächsten Stücke schlagen die Brücke zwischen Neuer und Alter Welt, zwischen revolutionären Ereignissen auf zwei Kontinenten. „Der Jakobiner“ und „Die Guillotine“ nennen sich die beiden Kompositionen, von denen letztere ganz unverhohlen auf Melodie und Duktus der Marseillaise anspielt, um sich anschließend in ein eher leichtfüßiges Tanzstück zu verwandeln.

Melodien, die den Kampf um die Unabhängigkeit begleiteten

Viele der hier bearbeiteten Kompositionen tragen Originaltitel, die auf Ereignisse des Unabhängigkeitskampfes von Quito verweisen: „Die Niederlage am Panecillo“ oder „1° Pichincha“, vermutlich eine Referenz an ein so benanntes Batallion der Unabhängigkeitskämpfer. Und es wird noch konkreter: „Diesen Walzer spielten die Soldaten, als Simón Bolivar in Quito einzog“, heißt es in dem Manuskript von 1848. Neben dem modernen Walzer zählte offenbar auch der schon etwas altmodische Kontratanz zu den bevorzugten Tänzen der Quiteños: In der Netflix-Serie „Bolivar“ tanzt Manuela Sáenz mit ihrem zukünftigen Liebhaber, den sie gerade erst persönlich kennengelernt hat, diesen Gruppentanz – so wie es auch aus ihren Briefen an Bolivar überliefert ist.

In der Casa de la Cultura aber wird es jetzt lebhaft: Mit der „Bomba“, einem traditionellen Tanz der afroamerikanischen Bevölkerung des Chota-Tals, der bis heute in Ecuador populär ist, steigt das Tempo auf der Bühne wie auch die Begeisterung im Zuschauerraum. Eine der Tänzerinnen balanciert eine Flasche auf dem Kopf, ohne dabei im Hüftschwung innezuhalten – das Publikum applaudiert lautstark. Und auch der folgende „Kapuziner“ (Capuchino), eigentlich ein Walzer mit Salonmusik-Anklängen, trägt deutlich zur Stimmung bei. 

Von den Tänzern war bisher noch nicht die Rede. Die zwölf jungen Leute aus ganz  Ecuador geben der Aufführung die Lebendigkeit, der bei einem so wissenschaftlich angegangenen Konzert sonst vielleicht gefehlt hätte. Sie rennen, springen, rollen über den Boden, machen das Gehörte konkret und plastisch, schaffen eine Verbindung zwischen Musik und Zuschauern, die in ihrer Körperlichkeit an Aufführungen des „Sacre du Printemps“ von Strawinsky erinnert.  Und bilden so auch einen lebendigen Kontrast zu den etwas blutleer wirkenden Bildprojektionen im Bühnenhintergrund.

Die Universidad Central ist die älteste Universität Ecuadors – und eine der ärmsten

1100 Studenten hat die Fakultät für Bildende und Darstellende Kunst an der traditionsreichen Universidad Central, der ältesten Universität Ecuadors. „Wichtiger als alles ist die Bildung“, lautet ihr Motto. „Unsere Studierenden kommen aus den ärmsten Gegenden des Landes“, erläutert die Dekanin der Fakultät, Carmen Jijón. Was für viele Studierende teurer Privatuniversitäten selbstverständlich ist, eine gute Ausbildung, Zugang zu Kunst, Musik und Tanz, haben sich diese jungen Leute hart erarbeitet. 

„Da me la fuerza para luchar, Manuela“ (Gib mir den Mut zu kämpfen) singen sie in dem für den Anlass geschriebenen Schlusschor des Komponisten Luis Rodríguez Pazmiño. Ein Schelm, wer sich dabei klanglich an die Carmina Burana erinnert fühlt. An Emotionen jedenfalls mangelt  es nicht an diesem Abend. Dieser Tage kursieren in der Presse Kommentare zu einer angeblichen Kampagne der neuen Leitung der „Casa de las Culturas“, wie sie sich in den sozialen Medien nun nennt,  gegen Eurozentrismus und koloniale Erblasten. Nennen wir es pragmatisch einfach eine Äußerung von Selbstbewusstsein. „Adelante, adelante, adelante Universidad Central“ (Vorwärts, Universidad Central), ruft der Saal, als sich die Musiker und Tänzer verbeugen. Da kann man nur mit einstimmen.

25. Mai 2022

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„Siempre de protesta“ – la musicóloga Inés Muriel

“Desde las salas de concierto de Latinoamérica”, reporta la voz femenina con un ligero acento, pero en selecto alemán. Inés Muriel presenta en Radio DDR II, de la RDA, un resumen de lo que pasa en el mundo de la música clásica en las grandes urbes de Latinoamérica, informa sobre una presentación del Cuarteto Ulbrich de Dresda en La Habana, elogia la “política musical consecuente y efectiva de Cuba”. Estamos en el año 1977. La ecuatoriana Inés Muriel Bravo vive desde inicios de los sesentas en la RDA. Los programas radiales concebidos y producidos por ella en aquella época dibujan la imagen de una mujer erudita, militante y sumamente disciplinada; son testimonio de una vida agitada y a su vez retraída entre Ecuador, Colombia y Alemania.

Nacida en la ciudad ecuatoriana de Riobamba en 1926, fue hija de inmigrantes colombianos. Posteriormente, se mudó junto con sus padres a Quito, la capital, en cuyo Conservatorio recibió clases de piano y canto. Junto con su hermano Guillermo Muriel, un año menor que ella, quien más tarde llegaría a ser un conocido pintor, militó en círculos izquierdistas siendo miembro activo del Partido Comunista del Ecuador.

Por medio del Partido Comunista, a estudiar musicología en la RDA 

Continuó con su militancia luego de mudarse con sus dos pequeñas hijas a Colombia en 1957. Pero en ese tiempo de la Revolución Cubana, marcado por la violencia y la represión, la afiliación al partido representaba para ella un riesgo permanente. El Partido Comunista Colombiano le facilitó, finalmente, una beca política, y fue así que emigró a la RDA en 1963. Inés Muriel quería ocuparse allá de aquello que siempre le había interesado: la música y la musicología. Y quería ver cómo era posible que “sobre el suelo de un antiguo estado fascista pudiera formarse un sistema socialista”, relata su hija Lucía Muriel.

Antes de los estudios, la RDA la puso a sudar: la incipiente musicóloga habría de ganarse su plaza universitaria con trabajo práctico en una fábrica de lámparas. Solo entonces ─tenía treinta y tantos años─ pudo matricularse en la Universidad de Leipzig. La ciudad donde presentó su tesis de graduación sobre la “Cultura musical de los jívaros del Ecuador” se convirtió en su tierra por 18 años: “Creo que no podía ser mejor”, dijo en una entrevista con Rodrigo Villacis Molina en 1980. Trabajó para la radio de la RDA, asistió a artistas como Mercedes Sosa y Oswaldo Guayasamín durante sus estadías; evidentemente, tenía buenas conexiones. Pero ello no le impedía lidiar con aquello que no funcionaba bien en la RDA, ─“siempre de protesta”, dicen que estuvo ─.

“No le voy hacer competencia a nadie”: intento de regreso al Ecuador

Obviamente, existía absoluto interés de parte de la cátedra de Leipzig en llegar a saber más acerca del mundo musical de Latinoamérica por medio de la becaria. “Pero”, como le escribió, resignadamente, al compositor Luis Humberto Salgado en 1967, “nuestros queridos compatriotas ni siquiera por cortesía contestan < a las consultas pertinentes provenientes de Alemania>”. Sin embargo, quería regresar a Ecuador. Tenía la esperanza de un empleo en el Conservatorio, quizás también de la ayuda del compositor Gerardo Guevara, quien, luego de sus estudios en Francia, se convirtió en director titular de la Orquesta Sinfónica Nacional y, más tarde, en director del Conservatorio. Pero fue en vano: que estaba sobrecalificada, se dijo lacónicamente, lo cual Inés Muriel lo interpretó para sí de esta manera: “…les tiene miedo a quienes han superado los niveles de la aldeana mediocridad <…>  Sin embargo, no le voy a hacer competencia a nadie! No soy compositora, no soy directora de orquesta <…> Los machos siempre le cortan el camino a la mujer.”

El trompetista y compositor Édgar Palacios le consiguió, finalmente, una función en el Conservatorio de la melómana localidad de Loja. Ahí investigó sobre la música del pueblo saraguro, incluso llevó a algunos saraguros jóvenes de alumnos a Loja, entre ellos al ulterior dirigente indígena Luis Macas. Luego de seis meses, cuando al Conservatorio se le agotaron los recursos, Muriel encontró un empleo en un proyecto de la UNESCO acerca de las fiestas tradicionales del Ecuador. Pero ahí también se chocaron la ambición científica de la investigadora y la realidad ecuatoriana: el informe final que redactó Muriel rebosaba de quejas de la mala planificación, la falta de equipamiento técnico y el inexistente apoyo de parte del personal.

Por segunda vez: emigración a Colombia

Por ello, cuando la Universidad Libre de Bogotá le hizo una oferta de trabajo como docente en la facultad de musicología de esa institución, Inés Muriel no dudó en aceptarla. Emigró por segunda vez a Colombia… y ahí se quedó. Dio clases, gozando del afecto y respeto de sus alumnos, hasta más allá de sus ochenta años; produjo, aún a los 77 años, notas radiales sobre la música del siglo XX. La música ecuatoriana no aparece en sus más de 200 programas de ese tiempo, ahora disponibles en línea, a excepción de Gerardo Guevara, a quien le dedicó un único programa.

En Ecuador, hay solo unas pocas personas que se acuerdan de la doctora Muriel. En los archivos alemanes, dormitan los informes del servicio de inteligencia de la RDA. En Colombia, la COVID y sus consecuencias impiden el acceso a bibliotecas y registros académicos que podrían revelar informaciones más precisas sobre su actividad. La persona Inés Muriel, de quien unos hablan con admiración, otros, con incomprensión, pero unos pocos, con conocimiento, se sustrae ampliamente al acercamiento periodístico. En las fuentes constan cuatro diferentes años de nacimiento, pero ninguna foto suya. Inés Muriel es hoy en día sobre todo: una voz. La musicóloga falleció el 9 de enero de 2022 en Bogotá. (Traducción del Alemán: Enrique Novas)

26 de abril de 2022

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